Erbschaftsteuergesetz: Nach der Reform ist vor der Reform?

Nach jahrelangem Streit ist zum 01.01.2009 das neue Erbschaftsteuergesetz in Kraft getreten. Sozusagen in letzter Minute – ansonsten wäre für Erbschaften und Schenkungen ab dem Jahr 2009 überhaupt keine Steuer mehr angefallen. Seit 2009 bis heute hat das neue Erbschaftsteuergesetz schon wieder mehrere Änderungen erlebt.

Dem Bundesverfassungsgericht liegt seit dem 27.09.2012 erneut das Erbschaftsteuergesetz zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor. Die Vorlage des Bundesfinanzhofes betrifft im Wesentlichen das Betriebsvermögen. Es ist allerdings noch nicht absehbar, ob und inwieweit das Erbschaftsteuergesetz insgesamt nochmals reformiert wird.

Die nachfolgende Zusammenfassung gibt Ihnen einen kurzen ersten Überblick über die aktuelle Situation. Die äußerst komplizierten Regelungen, die für das Betriebsvermögen gelten, können in dieser Zusammenfassung nicht dargestellt werden.

Die seit 2009 geltenden Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes begünstigen die so genannte „Kernfamilie“, d.h. Ehepartner, Kinder und Enkel sowie den eingetragenen (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner. Sie werden der unten folgenden Tabelle entnehmen, dass die Freibeträge für diesen Personenkreis ganz erheblich gestiegen sind.

Wichtig: der nicht eheliche Lebensgefährte, mit dem Sie also nicht verheiratet oder verpartnert sind, profitiert von den Neuregelungen bei größerem Vermögen nicht. Sein Erbschaftsteuerfreibetrag wurde nur auf 20.000,00 Euro angehoben, er bleibt aber in der ungünstigen Erbschaft- und Schenkungsteuerklasse III. Bei größerem Vermögen hilft – zumindest aus Gründen der Erbschaftsteueroptimierung – nur die „Flucht in die Ehe.“

Die (Erbschaft- und Schenkung-) Steuersätze sind nach wie vor abhängig von der Steuerklasse, also vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Zuwender und dem Empfänger, und natürlich von der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs.

Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über die seit 01.01.2010 geltenden Steuersätze.

Tabelle: Erbschaftssteuer Steuerklasse - Kanzlei für Vermögensnachfolge-Erbschaftssteuer Prozentsatz

Zu den Verlierern der Reform zählen die Personen der Erbschaftsteuerklasse III. Hier wurden die Steuersätze teilweise empfindlich angehoben. Wichtig: die Erbschaft- und Schenkungsteuerklassen sind nicht zu verwechseln mit den Einkommensteuerklassen. Anders als im Einkommensteuerrecht ist hier die Steuerklasse I die günstigste Steuerklasse.

Eine weitere wichtige Neuregelung im Erbschaftsteuerrecht betrifft die selbst genutzte Immobilie, das sog. Familienheim:

Die Vererbung der selbst genutzten Immobilie an Kinder, Ehegatten und eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner bleibt unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Die Erbschaftsteuerfreibeträge werden also nicht angetastet.

Voraussetzung für die erbschaftsteuerliche Privilegierung: Das Objekt wird nach Erwerb zehn Jahre lang vom Erwerber selbst zu Wohnzwecken genutzt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Erwerber aus „zwingenden Gründen“ an einer Selbstnutzung gehindert ist, etwa

  • weil er in ein Pflegeheim ziehen muss oder
  • weil er innerhalb des 10-Jahreszeitraumes selbst verstirbt.

Die Frage, welche Sachverhalte ansonsten unter die „zwingenden Gründe“ fallen, wird die Finanzgerichte sicher noch beschäftigen. Hier ist vieles noch ungeklärt. Bei Verstoß gegen die Verschonungsregeln entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend; es kommt zu einer Nachversteuerung.

Für die Vererbung einer selbst genutzten Wohnimmobilie an Kinder bzw. an Kinder verstorbener Kinder (= Enkel, deren Elternteil bereits verstorben ist) gibt es als weitere Voraussetzung eine Flächenbegrenzung: Die Vererbung ist „nur“ bis zu einer Wohnfläche von 200 qm steuerfrei. Die darüber hinaus gehende Wohnfläche muss anteilig versteuert werden – hierfür kann aber natürlich der persönliche Freibetrag genutzt werden.

Alle übrigen Immobilien werden grundsätzlich mit ihrem „gemeinen Wert“, dem Verkehrswert bewertet, wobei je nach Nutzungsart unterschiedliche Bewertungsverfahren gelten. Für Mietwohngrundstücke gibt es einen Bewertungsabschlag von 10% auf den nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Wert.

Gravierende Änderungen gibt es darüber hinaus für die Vererbung von Betriebsvermögen. Hier sind aufgrund der Vorlage beim Bundesverfassungsgericht weitere Änderungen zu erwarten. Die Entwicklung, auch kurzfristige Gesetzesänderungen, sollte Ihr Steuerberater im Auge behalten.

Wichtig ist wie immer: Lassen Sie sich beraten, damit Sie die für Sie optimale Lösung finden. Ältere Testamente sollten Sie sorgfältig prüfen und ggf. Ihrer aktuellen Lebenssituation anpassen.

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