Behindertentestament: Wichtige Tipps

Mehr noch als alle anderen benötigen Familien ein sorgfältig durchdachtes Testament, wenn in Ihrem Kreis ein Mensch mit Behinderung lebt. Insbesondere Eltern eines hilfsbedürftigen Kindes werden von der Sorge getrieben, ihr Kind nach ihrem Ableben bestmöglich versorgt zu wissen. Hier gilt es, zusätzliche Sicherheit für den behinderten Menschen zu schaffen und die Weichen der Vermögensnachfolge rechtzeitig zu stellen.

Mit einem Behindertentestament, das auf Sie und Ihre individuelle Familiensituation zugeschnitten werden muss, erreichen Sie die folgenden Ziele:

  • Die Zukunft Ihres Kindes wird abgesichert, und zwar in finanzieller wie in persönlicher Hinsicht.
  • Sie können in Ihrem Behindertentestament Personen Ihres Vertrauens zum Vormund und Betreuer benennen. Auch Regelungen für einen eventuell notwendigen Ergänzungsbetreuer können Sie treffen.
  • Das Familienvermögen wird in vielen Fällen weitgehend geschützt.
  • Sie regeln auch, wer nach Ableben Ihres Kindes mit Behinderung erbt. Notwendig ist dies in jedem Fall dann, wenn Ihr Kind nicht selbst ein Testament errichten kann.
  • Sie vermeiden mit klaren Regelungen Streitigkeiten und unnötige Auseinandersetzungen.

Die Zahl der Menschen mit Behinderung, die ambulante Hilfen erhalten, aber auch derjenigen, die eine sehr kostenintensive Unterbringung in einer behindertengerechten Einrichtung benötigen, wächst kontinuierlich. Denn spätestens mit dem Ableben der Eltern fallen diejenigen Menschen weg, die dem Behinderten ein Leben außerhalb einer kostenintensiven Einrichtung ermöglichten.

Was geschieht, wenn das Kind mit Behinderung nach dem Tod eines Elternteils ein „Vermögen“ erbt?

Das Recht der Sozialhilfe ist geprägt vom sog. Nachranggrundsatz: es erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann oder Hilfe von anderen (Angehörige oder Träger anderer Sozialleistungen) erhält. Daher verlangt der Träger der Sozialhilfe, dass das Kind für Pflege- und Unterbringungskosten zunächst sein eigenes Vermögen einsetzt, bevor wieder staatliche Leistungen fließen. Zum einzusetzenden Vermögen zählt auch eine Erbschaft oder ein Vermächtnis. Nicht einzusetzen ist nur das sog. Schonvermögen, z.B. angemessener Hausrat, Familien- u. Erbstücke persönlicher Art, ein angemessenes Hausgrundstück, das vom behinderten Menschen und von seinen Angehörigen bewohnt werden soll oder kleine Barbeträge. Nicht selten ist daher der Nachlass in kürzester Zeit durch die hohen Unterbringungskosten aufgebraucht.

Enterbung des Kindes mit Behinderung?

Eine Enterbung des Kindes wäre die denkbar schlechteste Lösung. Denn damit entsteht automatisch ein Pflichtteilsanspruch, den der Träger der Sozialhilfe sogar gegen den Willen des Pflichtteilsberechtigten oder seines Betreuers auf sich überleiten kann – und wird!

Beispiel: Franz und Friederike haben zwei Kinder, Bert und Anna. Bert lebt in einer behindertengerechten Einrichtung. Die Eltern wollen zunächst gegenseitig ihren Lebensabend finanziell absichern und setzen sich daher gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Anna und Bert sind ihre Erben nach dem Tod beider Elternteile.

Damit sind aber beide Kinder im ersten Erbgang, also nach Ableben eines Elternteiles praktisch enterbt. Anna und Bert haben sofort Pflichtteilsansprüche in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteiles, die in bar auszuzahlen sind.

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie für den zweiten Erbgang, also nach Ableben beider Elternteile, zu Erben eingesetzt werden. Selbst wenn Anna ihren Pflichtteil nicht geltend macht: für Bert wird der Träger der Sozialhilfe sofort den Pflichtteil einfordern.

Ein Pflichtteilsverzicht kommt nur in bestimmten Fällen in Betracht.

Die Lösung: ein klassisches Behindertentestament

Daher ist eines der Ziele eines individuell gestalteten Behindertentestamentes, überleitbare Pflichtteilsansprüche erst gar nicht entstehen zu lassen.

Wie muss ein solches Behindertentestament aussehen? Hier einige Grundzüge des Behindertentestamentes:

In unserem Beispielsfall setzen Franz und Friederike ihren Sohn Bert in ihrem gemeinschaftlichen Behindertentestament für beide Erbgänge, d.h. auch schon beim Ableben des erstversterbenden Elternteiles zum Miterben ein. Bert erhält jeweils einen Erbteil oberhalb seiner Pflichtteilsquote. Bert ist „nicht befreiter Vorerbe“. Zu seinem Schutz wird für ihn eine lebenslange Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker erhält bestimmte Anweisungen, wie er zugunsten von Bert das Erbe zu verwalten hat. Andere Familienmitglieder oder eine gemeinnützige Organisation sind Nacherben nach Bert.

Die Gestaltung eines Behindertentestamentes erfordert spezielle Kenntnisse. Ihr Testament muss sorgfältig auf Ihre persönliche Situation abgestimmt werden. Hier sollten Sie sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen, um die für Sie und Ihre Familie optimale Lösung zu finden.

Regelmäßige Überprüfung Ihres Testamentes gibt Ihnen Sicherheit.

Viele Menschen haben in der Vergangenheit bereits ein Testament errichtet. Oftmals aber zu einem Zeitpunkt, als die Familiensituation oder die Vermögensverhältnisse noch ganz anders waren.

Auch ein sorgfältig ausgearbeitetes Testament sollten Sie in regelmäßigen Abständen überprüfen:

  • Hat sich Ihre Familiensituation geändert? Sind z.B. Kinder oder Enkelkinder hinzu gekommen?
  • Hat sich Ihre Vermögensstruktur geändert? Haben Sie z.B. eine Immobilie erworben oder veräußert?
  • Haben Sie Vermächtnisse ausgesetzt? Leben die Bedachten noch und gibt es den vermachten Gegenstand noch in Ihrem Vermögen?
  • Haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen oder die Rechtsprechung geändert?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen das klassische Behindertentestament als Ausprägung der elterlichen Fürsorgepflicht gestärkt. Dennoch muss die Rechtsprechung des BGH sorgfältig verfolgt werden. Eine Überprüfung Ihres Behindertentestamentes etwa alle 3 Jahre wird Ihnen Sicherheit geben.

Insbesondere für das komplizierte Behindertentestament gilt: Ein „Muster-Behindertentestament von der Stange“ gibt es nicht.

Wichtiger Hinweis: Die vorstehende Darstellung versteht sich nur als erster Überblick für Sie.

Ein Testament sollte so individuell sein wie Sie und Ihre persönliche Lebenssituation. Für eine individuelle Beratung stehe ich Ihnen sehr gern zur Verfügung.